Das Projekt

Allgemeines

Historie der Beringerbrücke

Die Beringerbrücke wurde 1907/08 von der Maschinenfabrik Esslingen errichtet. Sie überbrückt den nur kurz zuvor erstellten Ulmer Rangierbahnhof, dessen Bau die Stadtteile nördlich und südlich der Bahnlinie voneinander abtrennte und ersetzt damit eine ältere Wegverbindung, die durch den Bau der Rangiergleise zerschnitten wurde.

In konstruktiver Hinsicht handelt es sich um eine stählerne Ständerfachwerkbrücke mit aussteifenden Diagonalstreben. Die Brücke entspricht damit einem Bautyp, der für Bahn- und Straßen-brücken im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert gängig ist und verzichtet auf jegliche über die rein statischen Notwendigkeiten hinausgehende Ausgestaltung. Die Beringerbrücke fällt gegenüber anderen gleichzeitigen Brücken derselben Bauart durch ihre beachtliche Länge sowie ihre direkte Anbindung an Betriebsbauten des Rangierbahnhofes auf.

Die Beringerbrücke ist 1944 durch Bombentreffer im südlichen Abschnitt schwer geschädigt worden und wurde 1959/60 instandgesetzt. Dabei wurde das Stahlfachwerk nach dem ursprünglichen Muster und unter umfangreichem Erhalt der Altsubstanz repariert, während der Brückenunterbau in großen Teilen und in abweichender Form neu hergestellt wurde. Damit ist dort ein erheblicher Teil der ursprünglichen Bausubstanz verloren gegangen. Ebenfalls nachträgliche Veränderungen stellen der seitlich an der Brücke angebrachte Gehweg und die dortige Fernwärmeleitung dar, wohingegen der stählerne Brückenoberbau an sich seitdem keine größeren Veränderungen mehr erfahren hat.

Brückenneubau

Mit dem Rückbau der Beringerbrücke entfällt eine vor allem für Anwohner wichtige Verbindung vom Eselsberg nach Söflingen und zur Blaubeurer Straße. Das soll aber nicht so bleiben. Parallel zu den Arbeiten wird geprüft, wo und wie ein Ersatzneubau umgesetzt werden kann.

Zustand und Schäden

Der Überbau der Brücke befindet sich in einem grundsätzlich schlechten Zustand. Vor allem das Sekundärtragwerk, der Gitterrost und die Buckelbleche sind stark durch Korrosion angegriffen. Die Querträgeranschlüsse weisen zum Teil eine vollständige Abrostung von Blechen und Nieten auf. Dadurch ist die Tragfähigkeit des Bauwerkes nicht mehr ausreichend. Bei der aktuellen Bauwerksprüfung wurden an manchen Stellen Restblechdickenverluste von bis zu 10 % gegenüber dem Vorjahr festgestellt. Über die gesamte Brücke, vor allem aber in den beiden nördlichen Feldern, ist die erforderliche Restblech-dicke im Grenzwertbereich. Bei mehreren Buckelblechen besteht die Gefahr des Durchbrechens infolge von Korrosion. Das Primärtragwerk (seitliche Gitterträger) zeigt zwischenzeitlich ein deutliches Fortschreiten der Korrosion.

Die Lager und Übergangskonstruktionen der Brücke sind infolge der Korrosion nicht mehr funktionsfähig. Dadurch kommt es zu Sekundärschäden an nachgeordneten Bauwerken wie z. B. Lagerböcken, Stützen und Widerlager.

Die Stützkonstruktionen weisen ebenfalls Schädigungen durch Korrosion auf. Gravierender ist aber die Tatsache, dass diese Bauteile nicht den aktuellen Anforderungen der DB bezüglich Abstand und Anprall entsprechen.

Derzeit kann nur mit umfangreichen Sicherungsmaßnahmen, wie z. B. Netzen oder zusätzlichen Verstärkungen, die Verkehrssicherheit der Bahnanlage gewährleistet werden.

Ansicht gravierender Brückenschäden der Beringerbrücke

Sanierungsmöglichkeiten und Denkmalschutz

Im Rahmen des Gutachtens zu Sanierung der Beringerbrücke wurden die nachfolgenden Varianten geprüft

Variante 1a:

Denkmalgerechte Sanierung der Stahlkonstruktion als verkehrsberuhigte Brücke
Kosten 29.700.000 € bei einer Restnutzungsdauer von 20 Jahren.

Variante 1b:

Denkmalgerechte Sanierung der Stahlkonstruktion als reine Fuß- und Radwegebrücke
Kosten 26.800.000 € bei einer Restnutzungsdauer von 20 Jahren.

Variante 2a:

Nicht denkmalgerechte Sanierung der Stahlkonstruktion als verkehrsberuhigte Brücke
Kosten 18.300.000 € bei einer Restnutzungsdauer von 20 Jahren.

Variante 3:

Neubau der Brücke mit Fachwerkträgern ohne statische Wirkung
Kosten 21.800.000 € bei einer Restnutzungsdauer von 80 Jahren.

Variante 4:

Neubau von 7 Feldern und Wiedererrichtung eines denkmalgerechten Feldes
Kosten 19.100.000 € bei einer Restnutzungsdauer von 80 bzw. 20 Jahren.

Während der Güterbahnhof schon im Jahr 2003 aufgrund der umfangreich erhaltenen originalen Stellwerktechnik als Sachgesamtheit unter Denkmalschutz gestellt wurde, wurde die Brücke erst im Jahr 2016 nachträglich als Teil der Sachgesamtheit des Güterbahnhofes zugeordnet. Grund waren hierbei nicht die spezifischen Besonderheiten der Brückenkonstruktion, die dem damals üblichen und an vielen Orten erhaltenen Konstruktionsprinzip entspricht. Vielmehr ging es um den historischen Zusammenhang zwischen Brücke und Güterbahnhof. Gegen diese Unterschutzstellung hat die Stadt Ulm seinerzeit Widerspruch eingelegt, da die Brücke bei der Realisierung nicht für die Funktionalität des Güterbahnhofes erforderlich war.

Bei einer gemeinsamen Besprechung zwischen der Stadt Ulm, dem Regierungspräsidium Tübingen als Oberer Denkmalschutzbehörde sowie Vertretern des Landesamtes für Denkmalpflege als Fachbehörde, die am 07.11.2018 in Ulm stattfand, konnte folgendes festgestellt werden:

  • Die Frage nach Erhalt oder Abbruch der Brücke ist seitens der Stadt Ulm intensiv und erschöpfend geprüft worden. Das von der Stadt beauftragte Gutachten des Ingenieurbüros Büchting + Streit AG wird als sehr umfassend angesehen.
  • Zur Frage der Eigenschaft als Kulturdenkmal, insbesondere im Hinblick auf die Zugehörigkeit zur Sachgesamtheit Güterbahnhof, bestehen bei den Beteiligten unterschiedliche Einschätzungen. Die Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege sehen die Einschätzung der Brücke als Kulturdenkmal weiterhin als begründet an, während von Seiten des Regierungspräsidiums insbesondere die Frage der Zugehörigkeit zur Sach-gesamtheit Güterbahnhof aufgeworfen wird. Diese Frage wurde jedoch bei der Besprechung nicht ausdiskutiert, da sie für die Entscheidung über Erhalt oder Abbruch der Brücke nicht ausschlaggebend ist, weil die Erhaltungsfrage in erster Linie über die wirtschaftliche Zumutbarkeit entschieden wird.
  • Korrosionsschäden und Materialermüdung verlangen nach Aussage der Gutachter sehr umfangreiche Eingriffe in die vorhandene Substanz. Hier vertritt das Landesamt für Denkmalpflege die Meinung, dass auch bei einer bestmöglich denkmalgerechten Sanierung derart stark in die denkmalwerte Substanz eingegriffen werden muss, dass danach die denkmalpflegerische Wertigkeit der Brücke deutlich reduziert oder gar die Eigenschaft der Brücke als Kulturdenkmal in Frage gestellt wäre.
  • Der große Umfang der Reparaturmaßnahmen sowie der notwendigen Ertüchtigung der Brücke für heutige Ansprüche, selbst wenn diese sich nur auf dem Niveau einer Fußgänger- und Fahrradverbindung abspielen sollten, führt nach den Berechnungen des Büros Büchting + Streit zu extrem hohen Kosten. Dem stehen neben der deutlichen Reduzierung der denkmalpflegerischen Wertigkeit bzw. dem Verlust der Denkmaleigenschaft auch aus statischen Gründen heraus eine selbst im besten Fall nur sehr stark eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit sowie eine kurze Restlebensdauer der Brücke gegenüber.
  • Aus diesen Gründen ist aus Sicht sowohl des Landesamts für Denkmalpflege als auch des Regierungspräsidiums der Erhalt der Brücke wirtschaftlich nicht zumutbar, so dass einem Abbruch der Brücke aus denkmalpflegerischer Sicht stattgegeben werden kann.

Parallel zu den Maßnahmen des Rückbaus laufen derzeit Untersuchungen wie und wo der Ersatzneubau umgesetzt werden kann.

Rückbau des Brückenbauwerks

Ursprünglich war ein Rückbau der Brücke mittels Portalkräne vorgesehen. Dieses Verfahren wurde im Frühjahr 2020 in einem EU-weiten Verfahren ausgeschrieben.

Bei der Submission am 11. Mai 2020 gingen insgesamt 3 Angebote ein. Nach formaler Prüfung der Angebote musste ein Angebot wegen fehlender Präqualifikations-Nachweise im Bahnbereich ausgeschlossen werden. Die Angebote der beiden weiteren Bieter überschreiten die Kostenschätzung des Ingenieur-Büros SSF, München um bis zu 100 %. Wegen der fehlenden Haushaltsmittel für die Beauftragung wurde die Ausschreibung aufgehoben.

Überarbeitetes Rückbaukonzept

Infolge der Kosten der ersten Ausschreibung wurden mit allen Beteiligten die Rahmenbedingungen neu abgestimmt. Ziel war es, auf Portalkräne und die damit verbundenen Umbaumaßnahmen im Bahnbereich zu reduzieren. Ziel war es auch mit der veränderten Rückbauvariante eine größere Anzahl von Firmen anzusprechen und dadurch bessere Angebote zu erhalten. Die Deutsche Bahn hat dem geänderten Rückbaukonzept zugestimmt.

Bei dem neuen Konzept wird zunächst eines der Mittelfelder zum Entkoppeln der Brückenkonstruktion zurückgebaut, danach folgen die nördlichen und dann die südlichen Felder.

In einem ersten Schritt werden in den einzelnen Feldern zunächst die Oberleitungen zurückgebaut und gesichert. Im nächsten Schritt werden die Gleisanlagen geschützt und die Brücke zurückgebaut. In einem letzten Schritt werden dann die Oberleitungen wiederaufgebaut.

Bei der Submission im August 2020 gingen mehrere Angebote für den Rückbau der Brücke ein.

Der Zuschlag wurde an den wirtschaftlichsten Bieter, der Firma Plannerer GmbH aus 95704 Pullenreuth, erteilt.

Mit den vorbereitenden Arbeiten für den Rückbau wurde bereits im Oktober 2020 begonnen. Der eigentliche Rückbau erfolgt im Frühjahr 2021.

Der Ablauf des Rückbaus

Bevor mit dem Rückbau der Brücke begonnen werden kann, muss für die sich an der Beringerbrücke befindlichen Fernwärmeleitungen eine neue reine Rohrleitungsbrücke für die Versorgungsleitungen der Fernwärme Ulm gebaut werden. Diese liegt 30 Meter östlich von der Beringer Brücke.

Die Länge dieser Rohrleitungsbrücke beträgt ca. 290 Meter.

Für den Bau dieser Versorgungsbrücke müssen fünf Stützen zwischen den Gleisen installiert werden. Da der Bahnverkehr nicht gestört werden darf, werden diese  jeweils von der Nord- und Südseite  eingehoben. Dazu müssen auf beiden Seiten Schwerladekräne mit 130 Meter langen Auslegern aufgebaut werden. Um diese 1000-Tonnen-Mobilkräne überhaupt sicher aufstellen zu können, sind entsprechende Vorarbeiten wie die Erstellung eines Bodengutachtens und der Bau der Kranstandorte inklusive der notwendigen  Gründungsarbeiten notwendig.

Während der Erstellung der Kranstandorte und den Einhubarbeiten  kommt es sowohl im Bereich Am Bleicher Hag als auch in der Beringerstraße zu halbseitigen und auch zu Vollsperrungen von längerer Dauer.

Die Vollsperrung der Straße am Bleicher Hag in dem von den Arbeiten betroffenen Bereich erfolgt von Ende April 2020 bis Mitte Juni 2020.

Die Beringerstraße (nur Bereich hinter Hornbach) ist von Mitte April 2020 bis Ende Juli 2020 voll gesperrt.

Für die Dauer der Einbindung dieser neuen Leitungen auf die Bestandsleitungen, die  mehrere Tage benötigen wird, werden die Stadtteile Michelsberg, Safranberg Oststadt und Böfingen über der Dampfleitung Süd versorgt. Die Versorgung der genannten Stadtteile ist nur im Sommer möglich, da hier der Wärmebedarf deutlich niedriger ist als im Winter.

Karte der von der FUG versorgten Dampfgebiete im Osten der Stadt, sowie die Rolle der Beringerbrücke als Träger der Fernwärmeleitung

Der Rückbau der Beringerbrücke beginnt im Oktober 2020. von den insgesamt acht Abschnitten werden die beiden nördlichen Felder so bald wie möglich abgebaut, da diese im schlechtesten Zustand sind.

Zur Vorbereitung müssen die Oberleitungen abgehängt und Stützen angebracht werden, um die Konstruktion zu stabilisieren, Danach werden die Felder dann mit einem Mobilkram eines nach dem anderen zu den Gleisen abgesenkt und direkt vor Ort demontiert.

Anschließend erfolgt der Abtransport und Entsorgung des Sondermülls, für den aufgrund der Rost, Teer und Asbestverseuchung genaue Auflagen eingehalten werden.

Über der Fortschritt der Arbeiten werden wir Sie hier umfassend informieren.